Donnerstag, 19. August 2010

Fuck Disney! oder: Wie Kindern die Realität verdreht wurde

Wir haben sie alle: Die gern gesehenen Filme, die gern gespielten Videogames, die gern vorgelesenen Kinderbücher. Doch wie sehr das Ganze das Unterbewusstsein eines Kindes beeinflusst, ist selten untersucht und seltener erwähnt worden (zumindest nicht von mir).

Daher nun: Wie sehr Walt Disney und Co. das Über-Ich verarschen.

1. Romantik nach Disney: Angelehnt an die animierten Märchen bekommt der geschmeidige Held am Ende immer die schön gezeichnete (meist auch Titel-)Heldin. Auch bei anfänglicher Defensive obsiegt die Liebe das Böse (in Form von Hexen, Tintenfischhexen, dunklen Wüstenzauberernhexen, ganz gerne auch Drachenhexen, ...) und die Handlung inkl. Happy-End ist so vorhersehbar wie ein Personenregister im Telefonbuch (Nach A kommt B kommt C kommt...). Dass der geschmeidige Held nach all den erlebten Strapazen doch sein Mädchen bekommt, ist verglichen mit der Realität eine Schande für jede pädagogisch wertvolle Erziehung.
Der in der Pubertät stecken gebliebene Spunt sucht händeringend nach Hexen, nachdem die schön gezeichnete Heldin ihn anfangs wie zu erwarten abwies (in seinen Ohren klingt ein "Verpiss dich, Hackfresse!" wie ein "Scher dich vondannen, Bettelsjung!"). In Extremsituationen kann der Bettelsjung die böse Hexe auch in der Gestalt einer Kassiererin sehen. Auf die alt hergebrachte Waffe gegen Hexen (ein geschärftes Schwert) reagieren die getarnten Hexen allerdings nicht so wie im Film. Kein Showdown, keine bunten, magischen Funken fliegen umher, kein jubelndes Volk, nachdem der Held den vernichtenden Schlag vollbracht und das Monster vernichtet ward - vielmehr gibt es ein Highlight (in der Presse), rote schillernde Funken färben die Umgebung, das umstehende Volk rennt panisch durcheinander, nachdem der Irre den tötlichen Schlag vollbracht und der Kassiererin die Halsschlagader durchtrennt hat. Und dem Psychiater zu erklären, man habe das alles getan, weil das Über-Ich zu viele Disney-Filme verinnerlicht habe... kein leichtes Brot.

2. Speichern - Das Gerät bitte nicht ausschalten!: Alle Videospiele mit größerem Umfang haben die Möglichkeit, das soeben im Virtuellen Praktizierte "abzuspeichern", um im späteren Verlauf ab diesem Punkt weiterzumachen. Dazwischen können Minuten, Stunden, Tage, Wochen oder Monate liegen. Aber darum geht es hierbei weniger. Vielmehr geht es um das Zurückkehren an diesem Speicherpunkt nach dem Scheitern einer Mission, eines Kampfes, etc.. Natürlich ist der Spieler viel zu klug, als das er denkt, im wahren Leben gäbe es ein hinter/vor/neben ihm aufploppendes Fenster, einen Brunnen oder großen leuchtenden Kristall, mit dem man den jetzigen Zeitpunkt speichern könnte. Und doch sagt sich manchmal das Unterbewusstsein "Scheiße. Jetzt haben wir gerade nicht wirklich alles gegeben, was wir draufhaben. Geh mal auf Reset und starte wieder ab 16 Uhr...." Und bis diese Menschen mit ihrem Über-Ich merken, dass das Leben doch keinen Speicherpunkt hat oder es einfach keine täglich grüßenden Murmeltiere gibt, vergehen gut und gerne 30 Jahre. Im besten Fall finden sie währenddessen einen Disney-Romantiker auf Hexenjagd und werden selbst als Bösewicht gesehen (wenn das Volk dann den Romantiker wirklich umjubelt, hat es diese Kreatur sowieso verdient).

Und nun der obligatorische Appell an die Welt: So Du einen Bekannten (unisex) hast, der ein Kind selbst warf oder bei diesem Vorgang Verursacher war, nutze Deine dunkle Macht als Yoda ääh... guter Freund und lass das Kind Disney-Filme sehen und führe danach ein aufklärendes Gespräch, für und wider Realismus im gezeigten Film. Auch wenn der Bekannte (unisex, jedoch meist die Bekannte) dich rauswirft, das Kind wird es dir eines Tages danken. Irgendwie.

Edit vom 25.07.2012:
Witzig, sich alte Blogeinträge anzusehen. Im Allgemeinen stimme ich mit den hier getroffenen Aussagen meines früheren Selbst auch zu. Okay, die eine und andere Stelle klingt recht ruppig und schroff und überhaupt schlecht durchdacht. Aber das ist nun einmal das Ergebnis von spontanen Blogeinträgen. Zudem war es damals eine lange(langelange) Ferienzeit zwischen Abitur und Zivildienst. Da gehen schon die Vernunftsgrenzen durcheinander.
Whatever, das Geschriebene steht so, wie es steht. Anzumerken ist folgendes:
Das Amoklauf-Drama des Disney-verträumten Jünglings ist ziemlich überspitzt dargestellt. Meist geben diese "Forever alone"-Typen einfach auf und schaffen den oben beschriebenen Schritt gar nicht. Letztlich warten wir doch alle auf die holde Prinzessin, die uns an die Hand nimmt und sagt "Hallo, hier bin ich, dein für ewig und immer". [Obacht: Informieren Sie sich vorher, ob besagte Prinzessin nicht die 'Dorf-Prinzessin' am hiesigen Hofe ist. Kann ja jeder kommen und sagen "Hallo, hier bin ich .....". Tzü!]
Der Teil mit dem Speichern ist so zu belassen.
Das Fazit ist mumpitz. Lasst die Kinder genießen, was sie wollen, wann sie wollen, wo sie wollen. Versucht lediglich, sie rechtzeitig aufzufangen.